Zum Start der zweiten Session in der neuen Legislatur äusserte sich der Standespräsident Tarzisius Caviezel ausführlich zum grandiosen Auftritt des Gastkantons Graubünden an der Olma unter dem Motto «aifach gspunna!». Das erste Sachgeschäft der Oktobersession war die Teilrevision des Gesetzes über den Natur- und Heimatschutz, welche von FDP-Grossrat Thomas Bigliel angestossen wurde.
Weil die Hauseigentümer nicht direkt durch den Kanton informiert und eingebunden werden, können sie ihre Rechte nicht rechtzeitig geltend machen. Aus diesem Grund hat Bigliel 2019 einen entsprechenden Vorstoss im Kantonsparlament eingereicht, der den Eigentümern mehr Mitsprache beim Denkmalschutz geben soll. Der Vorstoss verlangt, dass die Regierung die Inventarisierung so geregelt wird, dass die betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer aber auch die mit der Ortsplanung betreuten Gemeindebehörden von Beginn an in den Inventarisierungsprozess einbezogen werden. Weiter soll den betroffenen Eigentümerinnen und Eigentümer eine Einsprachemöglichkeit gegen die Inventarisierung zu gewähren werden, damit ein Objekt bei bestätigten Schutzstatus vollständig bereinigt in die Ortsplanung Eingang finden kann. Dass Hauseigentümerinnen und Hauseigentümer besser informiert werden sollen, sieht auch das Bündner Parlament so. Es hat Bigliels Vorstoss mit 82 zu 30 Stimmen angenommen. Nun liegt der Ball bei der Regierung, die die Hauseigentümer bei der Denkmalpflege künftig enger einbinden muss. Hierfür wird eine Teilrevision des Gesetzes über den Natur- und Heimatschutz notwendig.
Diese Teilrevision hätte ursprünglich bereits in der Augustsession 2022 behandelt werden müssen. Aufgrund der knappen Zeit und einiger Unklarheiten bezüglich eingebrachter Anträge wurde das Geschäft auf die Oktobersession 2022 verschoben. In der Zwischenzeit gingen weitere Anträge aus dem Rat ein, welche die Kommission zu beraten hatte. Im Rahmen dieser weiteren Beratung stellte sich heraus, dass eine breite Mehrheit den neuen Gesetzesartikel ablehnte.
Konkret entfiel damit der Kern des Gesetzesentwurfs. Im Rahmen der Eintretensdebatte äussersten sich Grossrätinnen und Grossräte aus verschiedenen Parteien zum Vorgehen und begründeten den Kurswechsel. FDP-Grossrat und Kommissionsmitglied Markus Berweger sprach sich dafür aus, dass man im Rahmen der Beratungen zu anderen Schlüssen gekommen sei und dass dies auch gut sei. Für die FDP-Fraktion vertrat Christine Kocher die Meinung, dass es bedauerlich sei, dass es gesetzgeberisch in dieser Form gelaufen sei. Nichtsdestotrotz sei es von grosser Bedeutung, dass das Gesetz beraten werde und auf das Geschäft eingetreten werde. Der Parteipräsident Bruno Claus äusserte sich dahingehend, dass der Gesetzgebungs- prozess selten so erfolge. Mit Ausnahme der SP waren alle Parteien für ein Eintreten, sodass die Teilrevision beraten werden konnte.
Im Jahr 2019 war noch völlig unklar, welche Praxis sich in Bezug auf den Inventarisierungsprozess entwickeln würde. Man befürchtete damals, dass die Planungskompetenz der Gemeinden ausgehöhlt werden könnte. Der Wunsch nach einem Kontrollmechanismus mittels einer Einsprachemöglichkeit war damals durchaus vertretbar. In der Zwischenzeit hat sich die Zuammenarbeit zwischen Amt, Gemeinde und Eigentümerinnen verbessert. Zudem befürchtete man, dass das «interne Rechtsmittelverfahren» eine faktische Aussenwirkung haben würde. Verankert wurde dann ein neuer Artikel, der auf den Antrag von Mitte-Grossrat Reto Crameri zurückgeht. Damit soll die Hürde für die Aufnahme ins kantonale Bauinventar höher gelegt werden. Neu müssen Ortsbilder, Gebäudegruppen und Einzelbauten nicht nur Kriterien wie Seltenheit, Vielfalt oder Gefährdung genügen, sondern auch einen äusserst hohen wissenschaftlichen, kulturellen oder heimatkundlichen Wert aufweisen. Nach langer Diskussion befürwortete der Rat die Teilrevision klar.
Neubau Fachhochschulzentrum Graubünden
Der Kredit von 178 Millionen Franken für das geplante neue Hochschulzentrum in Chur, von welchem 27 Millionen der Bund übernähme, wurde ausführlich diskutiert. Die Stärkung von Graubünden als Wirtschafts-, Bildungs- und Wohnstandort durch ein solches Projekt wurde über die Parteigrenzen hinaus als sinnvoll und gewinnbringend angesehen. Der Fachkräftemangel war das Thema, welches uns auch noch längere Zeit beschäftigen wird. Es wurde mehrmals betont, wie wichtig es ist, dass wir die Abwanderung unserer Arbeitskräfte verhindern müssen. Die Höhe des Kredits beschäftigte aber verschiedene Grossrätinnen und Grossräte. Unter anderem wurde von FDP-Grossrat Norbert Mittner, welcher Teil der vorberatenden Kommission war, darauf hingewiesen, dass das Budget zwingend bei 151 Millionen gedeckelt wird.
Darüberhinausgehende Aufwendungen müssten dann vom Bund übernommen werden. Man dürfe nicht vergessen, dass solche Mehrausgaben anderswo kompensiert werden müssen. Zudem merkte er an, dass das Thema Verkehrssicherheit im vorliegenden Projekt nicht hinreichend gelöst sei.
Eine Diskussion löste das Begehren der SP/Grüne aus, welche forderten, die Anzahl der Parkplätze zu reduzieren. Der SP-Antrag blieb allerdings chancenlos. Die Ablehnung erfolgte unter anderem mit der Begründung der FDP-Fraktion, dass gerade bei Abendanlässen oder für Personen aus peripheren Regionen eben keine Anbindung an den öffentlichen Verkehr gewährleistet sei. Die Fachhochschule sei schliesslich für den ganzen Kanton, daher soll auch der ganze Kanton Zugang haben. FDP-Grossratsstellvertreter Roger von Moos wies zudem darauf hin, dass betagte Personen und Menschen mit einer Behinderung oder aus Risikogruppen häufig darauf angewiesen seien, mit dem Individualverkehr anzureisen. Die Schlussabstimmung zum Verpflichtungskredit fiel dann einstimmig aus. Im März 2023 entscheidet das Bündner Stimmvolk über das Grossprojekt.
Anfragen und Aufträge
Der Grosse Rat hat in dieser Session sechs Aufträge und neun Anfragen behandelt. Darunter war der Auftrag Horrer betreffend Solaroffensive. FDP-Grossrat Oliver Hohl wies darauf hin, dass wir in Graubünden Photovoltaik als unverzichtbaren Eckpfeiler der künftigen Energieversorgung anerkennen und fördern müssen. Er meinte damit nicht eine finanzielle Förderung, sondern eine Förderung durch Vereinfachung und Beschleunigung des Verfahrens. Damit innovative Ideen auch innert nützlicher Frist verwirklicht werden können, reichte FDP-Grossrat Oliver Hohl einen Abänderungsantrag ein. In die gleiche Richtung äusserte sich FDP-Grossrat Fabio Luzio. Er wies darauf hin, dass der Anteil des administrativen Aufwandes im Rahmen eines Bewilligungsverfahrens enorm sei. 30-50% der Stunden für ein PVA-Projekt werden laut Luzio durch den administrativen Aufwand verschlungen. Ebenfalls erwähnte er die Tatsache, dass gemäss dem Bundesgesetz für Raumplanung (RPG) die Gemeinden solche Anlagen im Rahmen des Meldeverfahrens bewilligen können. Dieses vereinfachte Verfahren werde aber in diversen Gemeinden fälschlicherweise nicht angewendet. Der Abänderungsantrag wurde vom Rat angenommen.
Viel zu reden gab der Fraktionsauftrag der SVP betreffend «Karenzfrist und Ruhegehalt für ehemalige Re- gierungsräte». Die SVP forderte in ihrem Auftrag, dass abtretende Regierungsrätinnen und Regierungsräte nach ihrer Tätigkeit für eine gewisse Zeit nicht in einem Unternehmen, Betrieb oder in einer Institution arbeiten dürfen, welche ganz oder teilweise im Besitz des Kantons sind, einen engen Bezug zu Bereichen des Kantons erhalten oder namhafte Aufträge des Kantons erhalten oder wahrnehmen. Einig war man sich im Parlament darüber, dass die Transparenz verbessert werden muss. Die FDP war aber zusammen mit der Mitte und einem Teil der GLP der Meinung, dass der SVP-Auftrag der falsche Weg dafür sei. Neben der SVP stimmte die SP für den Auftrag. Der Fraktionsauftrag der SVP wurde abgelehnt. Stattdessen wurde der abeänderte Auftrag der Regierung angenommen. Jedoch ist die Ruhegehaltsregelung der Regierungsratsmitglieder nach Ansicht der FDP-Fraktion nicht mehr zeitgemäss. Daher reichte sie (Kocher, Luzio, Cahenzli) noch in der Oktobersession 2022 einen Auftrag für die Ruhegehaltsregelung der Regierungsratsmitglieder ein.
Weiter waren unter den Aufträgen der Auftrag Brunold betreffend Rahmenbedingungen für einen Green Tec Cluster, der Auftrag Sax betreffend Erreichbarkeit Chur West, der Auftrag Hohl betreffend Beschleunigung der digitalen Transformation in der Verwaltung und der Auftrag Horror betreffend Medienförderung für romanisch-italienische Medien.
Im Weiteren wurden in der Fragestunde 18 Fragen mit Hauptfokus Energie von der Regierung beantwortet. FDP-Grossrat Fabio Luzio reichte eine Frage zum Stand und der Wirksamkeit der Regionalentwicklung ein.